BWagrar-Interview
Was ist jetzt in der Fleischbranche zu tun?
BWagrar: Herr Rukwied, manche Schweinehal-ter sehen die Corona-Politik als verantwortlichfür die wirtschaftlichen Auswirkungen vonWerksschließungen in der Schlachtbranche an. Wie sehen Sie das?
Rukwied: Der Gesundheitsschutz, insbesondere der Mitarbeiter und der Bevölkerung vor Ort, hat oberste Priorität. Es müssen in den Schlacht- und Zerlegebetrieben Lösungen gefunden werden, die einen guten Gesundheitsschutz gewährleisten und zugleich einen effektiven Schlachtprozess ermögli-chen. Der Spagat zwischen Arbeitsschutz und Arbeitsfähigkeit muss gelöst werden. Wichtig ist, dass die hiesige Branche wettbewerbs-fähig und verlässlicher Partner unserer Tierhalter bleibt.
BWagrar: Was ist jetzt zu tun, um die Abläufe in der Wertschöpfungskette für Fleisch funktionsfähig zu halten?
Rukwied: Entscheidend ist, dass die nutzbaren Schlachtkapazitäten jetzt voll ausgelastet werden. Bei Engpässen müssen schlachtreife Tiere auf andere Schlachtunternehmen verteilt werden. Hier müssen die Unternehmen zusammenarbeiten. Die Bugwelle schlachtreifer Tiere muss schnellstens abgearbeitet werden. Höhere Schlachtgewichte dürfen nicht zu Lasten der Schweinehalter gehen. Die Corona-Zeit zeigt, dass eine Zentralisierung auf wenige große Betriebe nicht ausreichend krisenfest ist. Steigende Auflagen haben die Zahl von kleinen und mittleren Schlachtunternehmen stark dezimiert. Diese Entwicklung widerspricht dem Verbraucherwunsch nach regionaler Lebensmittelproduktion und kurzen Transportzeiten.Baden-Württemberg hat noch eine stark regional verankerte Fleischbranche. Schließungen regionaler Schlachthöfe und die Aufgabe von Metzgereien sind jedoch zunehmend ein Problem. Häufig sind bürokratische Auflagen der Grund. Hier muss die Politik schnell handeln.
BWagrar: Wie sollte die Nutztierhaltung zukünftig aufgestellt sein, um in der Gesellschaft akzeptiert zu werden und zugleich für die Veredlungsbetriebe wirtschaftliche Perspektiven zu bieten?
Rukwied: Die Nutztierhaltung hat sich in den vergangenen Jahren auch beim Tierwohl ständig weiterentwickelt. Dennoch klafft eine Lücke zwischen Verbraucherwunsch und mach-barem Tierschutz im Stall. Es ist notwendig, dass noch intensiver an der Entwicklung gesellschaftlich akzeptierter Haltungssysteme gearbeitet wird und die Wertschätzung für tierische Lebensmittel an der Ladentheke – ins-besondere auch im Preis – steigt. Notwendig ist eine nationale Nutztierstrategie, die das leisten kann.Die Borchert-Vorschläge sind mit Nachdruck voranzutreiben. Detailfragen müssen noch geklärt werden. Es braucht dringend Vereinfachungen im Bau- und Immissionschutz-recht, um Um- und Neubauten für mehr Tier-wohl überhaupt realisieren zu können.
Autor: Interview: Heiner Krehl